Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft

1 + 1 = 3: Ganzheitlicher Ansatz fördert Mehrwert. Die Immobilienwirtschaft ist eine Branche mit perfekten Voraussetzungen für die Umsetzung moderner Konzepte für die Energiewende. Als Schnittstelle zwischen Erzeugung und Verbrauch liefert sie aber nicht nur den Nährboden für nachhaltige Nutzungsszenarien. Sie bietet auch das Fundament für lukrative Geschäftsmodelle rund um Themen wie Mieterstrom, Elektromobilität, Direktvermarktung oder Sektorenkopplung.

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Dienstag, 15. Juni 2021

Spezifisch gestaltete Webportale, die auf der Integration verschiedener Prozesse sowie Daten basieren und umfassende Einblicke zu aktuellen wie historischen Werten hinsichtlich Verbrauch und Erzeugung liefern, eröffnen zusätzlichen Mehrwert.
Spezifisch gestaltete Webportale, die auf der Integration verschiedener Prozesse sowie Daten basieren und umfassende Einblicke zu aktuellen wie historischen Werten hinsichtlich Verbrauch und Erzeugung liefern, eröffnen zusätzlichen Mehrwert.

Die Schlüsselrolle, die der Immobilienmarkt bei der Umsetzung der Energiewende einnimmt, ist offensichtlich und wird mittlerweile immer stärker in der Gesetzgebung verankert. Die jüngsten Vorstöße sind das Gebäude Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) sowie der Beschluss zur steuerlichen Entlastung von Wohnungsunternehmen beim Angebot von Mieterstrom oder dem Betrieb von Ladesäulen.

Adieu Steuerhürden
Am 22. April 2021 passierte der Entwurf zur Anpassung des Fondsstandortgesetzes den Bundestag. Dadurch wird der Umsetzung einer nachhaltigen Energienutzung im Gebäudesektor gezielt der Weg geebnet. Denn bisher war das Angebot von Mieterstrom oder der Betrieb von Ladestationen für Wohnungsunternehmen eher Fluch als Segen. Schließlich entfiel im Fall der Stromerzeugung und -lieferung als gewerbliche Tätigkeit auch automatisch die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für Mieteinnahmen. Aufgrund dieser steuerlichen Nachteile verwundert es kaum, dass die Akteure entsprechende Aktivitäten bisher vielfach dankend ablehnten. Diese Steuerhürden sind jetzt passé.Künftig können Immobilienunternehmen gewerbliche Einkünfte aus der Stromlieferung aus erneuerbaren Energien– zum Beispiel Mieterstrom – und dem Betrieb von Ladestationen für Elektroautos für ihre Mieter erzielen, ohne dass ihre Mieterträge mit Gewerbesteuer belastet werden. Einzige Voraussetzung ist dabei, dass die zusätzlichen Einnahmen nicht höher sind als 10 % der Gesamteinnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes. Einschlägige Geschäftsmodelle rücken auf der Agenda damit wieder in den Fokus.
Weichen werden aber ebenso an anderer Stelle gestellt. So verfolgt nicht zuletzt die aktuelle Diskussion zur weiteren Optimierung der Anfang 2021 in Kraft getretenen Version des Mieterstromgesetzes das Ziel, zusätzliche Anreize für Immobilienunternehmen zu setzen. Gleichzeitig liefert das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-
Gesetz (GEIG) einen verbindlichen Grundstein für neue energiewirtschaftliche Ansatzpunkte.

Elektromobilität als Gewinn                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Das GEIG, das seit dem 25. März 2021 gilt, bedeutet zunächst zusätzliche Aufwände und Kosten für die Protagonisten der Immobilienwirtschaft. Denn dieses sieht unter anderem vor, dass ab sofort bei jedem neu gebauten Wohngebäude mit mehr als fünf Stellplätzen jeder Stellplatz mit Schutzrohren für Elektrokabel auszustatten ist. Bei Nichtwohngebäuden
mit mehr als sechs Stellplätzen betrifft dies jeden dritten. Zusätzlich ist in Nichtwohngebäuden mindestens ein Ladepunkt zu errichten. Vergleichbare Auflagen gelten im Zuge größerer Renovierungen von Bestandsbauten. Die konkreten Bestimmungen lassen sich alle im Gesetzestext nachlesen und sollen hier nicht weiter vertieft werden. Stattdessen bleibt festzuhalten: Immobilieneigentümer werden beim Ausbau der Leitungs- und Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität künftig immer stärker vor den Karren gespannt. Was liegt also näher, als vor dem Hintergrund der angesprochenen steuerlichen Erleichterung beim Angebot von Mieterstromoder Elektromobilitätsleistungen aus der Pflicht zum Einbau von Ladestationen eine Tugend zu machen? So könnten beispielsweise vor allem größere Wohnungsgesellschaften den Mietern die passenden Nutzungskonzepte zur Elektromobilität mitliefern. Dadurch erschließen sie nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern werten gleichzeitig die eigenen Vermietungsobjekte auf. Elektromobilitätsinitiativen lassen sich mit Mieterstromangeboten
zudem perfekt koppeln und hätten eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zur Folge.

Unterstützung gefragt

Die Spielwiese der energiewirtschaftlichen Anknüpfungspunkte in der Immobilienwirtschaft ist enorm. Die Aspekte Mieterstrom und Elektromobilität sind bereits angeklungen. Themen wie die Direktvermarktung der lokal zum Beispiel via Solaranlage erzeugten Energie oder eine Sektorenkopplung im Zuge von Wärme-Komplettpaketen schließen sich nahtlos an. Kombinationsmöglichkeiten sind vielfach denkbar. Es darf jedoch
nicht vergessen werden, dass die hinter den jeweiligen Geschäftsmodellen stehenden, prozessualen Anforderungen keinesfalls trivial sind. Wer als Immobilienunternehmen in diesem Umfeld mitmischen will, kommt an den
zugehörigen Regularien nicht vorbei – von GPKE über MaBiS bis zur vorgabenkonformen Rechnungslegung. Vor diesem Hintergrund wird die Suche nach geeigneten Lösungen und Partnern entscheidend an Fahrt aufnehmen.
Dabei gilt es vor allem zu beachten, welche Synergien sich bei der Abwicklung verschiedener energiewirtschaftlicher Prozesse heute und in Zukunft ausspielen lassen. So kann der im Rahmen einer Mieterstrominitiative erzeugte
Strom beispielsweise auch für Ladevorgänge von E-Autos genutzt werden. Wer sich hier keine potenziellen Chancen verbauen möchte, sollte also nicht  zu kleinteilig vorgehen. Es zählt ein Umsetzungskonzept, in dem die jeweiligen (fachkundig umgesetzten) Prozesse beliebig ausgestaltet, zusammengeführt und auch nachträglich erweitert werden können, um zusätzlichen Mehrwert zu generieren. Natürlich sind Immobiliengesellschaften oder verwaltungen an Ansätzen interessiert, die ihre Attraktivität gegenüber Mietern steigern und so wenig Aufwand wie möglich in den eigenen Reihen verursachen.

EVU im Vorteil

Energieversorgungsunternehmen können in dem Zusammenhang mit einem spezifisch auf die Zielgruppe der Wohnungswirtschaft zugeschnittenen Angebot gleich mehrfach punkten. Neben der Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen über Dienstleistungen erhöht sich die Chance, vertrieblich den Fuß noch stärker in die Tür zu bekommen. Dies bezieht sich nicht nur auf die energiewirtschaftliche Belieferung der Gemeinschaftsflächen einzelner Immobilienobjekte. Auch zu Mietparteien, die in das  Zusammenspiel involviert sind, kann auf  diese Weise »Nähe« geschaffen werden. Durch das im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) festgeschriebene, seit 2021 gültige, vorrangige Auswahlrecht des Vermieters im Hinblick auf alle Zählpunkte eines Gebäudes steigt die Attraktivität durch Zusatzerlöse in dieser Zielgruppe weiter. Voraussetzung ist, dass die Zählpunkte mit einem Smart-Meter-Gateway ausgestattet sind, das neben Strom mindestens eine weitere Sparte (Gas, Fernwärme oder Heizwärme) abbildet.

Integrierte Verarbeitung als Weichensteller

Ein solch vielfältiges Leistungsspektrum setzt jedoch ebenso auf Seiten der EVU eine informationstechnische Infrastruktur voraus, die alle damit einhergehenden Prozesse und Daten konsolidiert verarbeiten kann. Denn wer die Prozesse rund um Mieterstrom, Elektromobilität oder Nebenkostenabrechnung in unterschiedlichen Systemen abbildet, wird kaum in der Lage sein, Mehrwertdienste zu einem für Kunden ansprechenden Preis-Leistungs Verhältnis anzubieten. Erst durch Integration der unterschiedlichen Prozessbausteine werden Extras wie Bündelrechnungen oder ein Portal, das Verbrauchs- und Erzeugungswerte in Echtzeit zur Verfügung stellt, überhaupt
erst möglich. Und genau solche Details machen im Wettbewerb den Unterschied. Mit einer Datenplattform wie dem
AKTIFdataService lassen sich beispielsweise auch die Dokumente zur Nebenkostenabrechnung hinterlegen und per Portal oder App spiegeln – ein wichtiges Argument gegenüber Immobiliengesellschaften und -verwaltungen. Diese werden dadurch unter anderem in die Lage versetzt, die Nachweispflicht zu Heizkostenabrechnungen effizient abzubilden. Aber selbst EVU, die sich intern vor allem auf Kernkompetenzen wie Beschaffung oder Vertrieb konzentrieren möchten, müssen auf solche vielversprechenden Geschäftsmodelle für die Wohnungswirtschaft nicht verzichten. Die Kompetenz ist genauso über extern beauftragte Dienstleister und maßgeschneiderte White-Label-Lösungen abbildbar und kann zum eigenen Vorteil ausgespielt werden.

Lars Ehrler, Leiter Software & Projekte, Prokurist, AKTIF Unternehmensgruppe, Senftenberg,

Artikel erschienen in der ew 6/2021