Pflichteinbau intelligenter Messsysteme für den Kunden attraktiv machen
Mittwoch, 5. Juni 2019
Nach wie vor fehlt die nötige Technik für die Einführung intelligenter Messysteme. Trotzdem gilt ab 2020 auch für Verbraucher ab 6.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch der Pflichteinbau. Branchenverbände monieren derweil, dass die Verfügbarkeit der ersren Gerätegeneration nur zu höheren Kosten auf Verbraucherseite führen wird- ohne spürbaren Mehrwert zu bieten. Daher sollten sich Energieunternehmen mit der Frage auseinandersetzen, welche Möglichkeiten sich im Rahmen des Rollouts gewinnbringend ausspielen lassen.
Laut Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) sind Verbraucher mit einem Jahresstromverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 Kilowattstunden ab 2020 zum EInbau eines intelligenten Messsytstems verplichtet. Dies betrifft in Deutschland etwa 2,4 Millionen Entnahmestellen. Hinzu kommen die Verbraucher mit einem Jahresstromverbrauch über 10.000 Kilowattstunden beziehungsweise mit einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung (mit Vereinbarung eines veringerten Netzentgeletes) wie einer Wärmepumpe - für die der verpflichtende Rollout bereits seit 2017 gilt. In Summe sprechen wir von rund fünf Millionen Entnahmestellen, die unster den Pflichteinbau fallen - Anschlussnutzer mit Erzeugungsanlagen ab sieben Kilowatt jährlicher Leistung noch nicht mitgerechnet. Für Energieversorgungsunternehmen wächst somit der Kreis der potenziellen Endkunden, die nach technischer Verfügbarkeit mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden.
Um der angedachten Zukunft der Energieversorgung den Weg zu bereiten, müssen bis Dezember 2019 gleichzeitig die Prozesse rund um den elektronischen Datenaustausch entsprechend der neuen Bestimmungen der zugrundeliegenden Vorgaben von GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) über Wim (Wechselprozesse im Messwesen) und MPES (Marktprozesse für erzeugende Marktloktionen) bis hin zu MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom) - auf Seiten aller beteiligten Marktrollen umfangreich umgebaut werden. Vor dem Hintergrund dieser aufwendigen Systemanpassungen sollten vor allem Vertriebsunternhemen beziehungsweise integrierte Energieversorger die an den Rollout geknüpften Handlungsoptionen genauestens prüfen und in den eigenen Reihen Strategien entwickeln, mit denen sie sicherstellen, dass sich die jetzt erforderliche Arbeit am Ende auch auszahlt.
Mehrkosten steht kein Mehrwert gegenüber
Die Ausgangslage
Der Startschuss für den Rollout fällt, sobald das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Grundvorraussetzungen der technischen Ausstattungsmöglichkeit als erfüllt sieht - spric, wenn mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme anbieten, die den am Einsatzbereich des Smart-Meter-Gateways orientierten Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes entsprechen. Dann sind die Messstellenbetreiber im Zugzwang: Sie müssen den Einbau der intelligenten Messysteme innerhalb der vorgebenen Frist veranlassen. Zudem schreibt der Gesetzgeber ihnen die Aufgabe zu, den mit intelligenten Messystemen ausgestatteten Verbrauchern eine kostenlose monatliche Aufstellung über den Energieverbrauch und die entstandenen Kosten zur Verfügung zu stellen.
Zunächst kein Mehrwert
Auch wenn der Einbau und Betrieb der intelligenten Messysteme fest definierten Grenzen unterliegt, schlagen die Kosten deutlich zu Buche. So liegt die Preisobergrenze für Konsumenten mit einem jährlichen Verbrauch von 6.000 bis 10.000 Kilowattstunden bei 100 Euro im Jahr- vorrausgesetzt, der grundzuständige Messstellenbetreiber kommt zum Zuge. Bei einem wettbewerblichen Messstellenbetreiber gelten die gesetzlich vorgegebenen Preisobergrenzen nicht, der Preis kann also auch höher ausfallen. Für moderne Messeinrichtungen (mME), die bisher überwiegend bei Neubauten und Betreibern bestimmter Erneuerbare-Energien-Anlagen eingebaut wurden, sind pro Jahr max. 20 Euro fällig.
Diese Differenz ist gegenüber Kunden sicher erklärungsbedürftig, zumal der Leistungsumfang beider Varianten sich- zumindest am Start- kaum unterscheiden wird. Intelligente Messsysteme der ersten Generation, von denen bisher lediglich eines seitens des BSI zertifiziert ist, können nicht mehr Messdaten liefern als modernene Messeinrichtungen. Neu ist allein die Übertragung der Messwerte- eine Vor-Ort-Ablesung erübrigt sich mit intelligenten Messsystemen. Die Abbildung lastvariabler Tarife, das Durchführen von Erzeugungs-und Lastmanagement sowie netzbetriebliche Anwendungsfälle unterliegen jedoch nach wie vor klaren Einschränkunge. Auch Mehrwerte auf Basis der Mehrspartenfähigkeit sind kaum realisierbar, gleiches gilt für datenbasierte Geschäftsmodelle, beispielsweise auf Basis gerätescharfer Verbrauchserkennung. Diese erfordern sekundengenaue Echtzeitdaten, das intelligente Messsystem liefert jedoch nur Viertelstundenwerte.
Lieferanten in der Bredouille
Das Angebot zeit-und lastvariabler Tarife, die Verbrauchern tatscählich Mehrwerte in Aussicht stellen und der ursprünglichen Idee zur Energiewende Rechnung tragen, ist auf Lieferantenseite im Zuge der initialen Einführung intelligenter Messsysteme also nur schwer realisierbar. Trotzdem sind Vertriebe gegenüber dem Kunden oftmals an vorderster Front, wenn es um die Kosten geht. Zum einem geben Sie auch künftig in vielen Fällen den Posten des Messstellenbetriebs - der mit intelligenten Messsystemen um einiges höher ausfallen wird - über die Stromrechnung an die Kunden weiter. Zum anderen ist der prozessseitige Umbau hinsichtlich des MsbG in den eigenen Reihen ebenfalls mit einem nicht zu unterschätzenden finanziellen Aufwand verknüpft, der letztendlich wohl ebenfalls auf den Endkonsumenten umgelegt werden muss. Diese Mehrzahlung ohne konkreten Gegenwert zu rechtfertigen, wird sicher schwierig. Selbst wenn die Lieferanten nur das letzte Glied einer langen Kette sind, laufen sie Gefahr, Kunden im Rahmen des Pflichteinbaus zu verlieren.
Mit Gegenleistung ins Rennen starten
Vertriebsunternehmen sind daher gut beraten, bereits heute aktiv mehrwertgenerierende Leistungen zu identifizieren, mit denen sie künftig gegenüber Kunden auftrumpfen können. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt - neben dem Angebot passender Tarifprodukte - sicher in der gezielten Nutzung und Aufbereitung der Messdaten. Auf diese Weise können Versorger zusätzliche Service-Anreisze schaffen. Positive Effekte im Großkundenumfeld mit RLM-Basis (Registrierende Leistungsmessung) sind in diesem Fall oft eins zu eins auf Privathaushalte, die bisher unter das Standardlastprofil (SLP) fallen und künftig mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden, übertragbar. Die Zustimmung des Kunden vorrausgesetzt.
Wichtig ist, dass das Angebot über die gesetzlich vorgeschriebene Leistung auf Seiten der Messstellenbetreiber hinausgeht - also mehr umfasst als das kostenlose monatliche Zurverfügungstellen der Verbrauchsdaten. So sind beispielsweise spezifische Auswertungen zu Lastspitzen, darauf basierende Optimierungsempfehlungen hinsichtlich des Energieverbrauchs beziehungsweise der Einspeisung oder des Benchmarkings mit vergleichbraen Endverbrauchern denkbar. Solche Mehrwerte sind dabei nicht zwangsläufig an digitale Anebote in Form von Webportalen pder Apps gebunden. Auswertungen können durchaus auch per regelmäßiger Info-E-Mail oder via Post erfolgen, um unterschiedlichsten Zielgruppen Rechnung zu tragen. Hier ist es an den Lieferanten, die jeweils am besten zur Kundenstruktur passenden Inhalte und Wege zu identifizieren.
Flexible IT erleichtert den Umgang mit Daten
Das Praktische an solchen Ansätzen: Die Prozesse lassen sich in der Regel einfach automatisieren und umsetzen. Wenn eine entsprechende Integration in die Systeme der Kundenverwaltung und Abrechnung gegeben ist, gehen die Möglichkeiten weit über ein "Stand-alone"-Webportal hinaus. Messwerte, Abrechnungs- und Stammdaten können gezielt zusammengeführt werden. Dies ist auch von Vorteil, wenn der Kunde künftig sein Recht einfordert und statt der gewohnten Abschlagsvariante eine verbrauchsabhängige Abrechnung verlangt. Entsprechende Verarbeitungsprozeduren können viel schneller umgestellt werden. Das Fundament dazu liefert ein flexibles IT-System, das die jeweiligen spezifischen Anwendungsmodule verknüpft und sich im Bedarfsfall beliebig erweitern lässt. So wird vor dem Hintergrund der aktuellen Problemstellung des Pflichteinbaus nicht nur dem schnellen und reibungslosen Einsatz eines vollintegrierten Webportals, das sich individuell gestalten lässt, der Weg geebnet. Darüber hinaus bleibt die Tür auch für neue Anforderungen stets offen - beispielsweise hinsichtlich der Mehrspartenfähigkeit von Abrechnung, Visualisierung und Anaylse.
Lars Ehrler, Leiter Produktentwicklung, AKTIF Technology GmbH
Der Artikel ist erschienen in der e m w Energie. Markt. Wettbewerb.