Senftenberg (energate) - Mieterstromprojekte sind häufig sehr kleinteilig. Wirtschaftlich sind sie aber erst ab einer Größenordnung von etwa 100 Wohneinheiten, so die Einschätzung von Lars Ehrler, Leiter Produktentwicklung beim Senftenberger Software-Anbieter Aktif Technology.
Dienstag, 1. Oktober 2019
Kleine Privatvermieter sollten sich solche Projekte daher gut überlegen, sagte Ehrler im Interview mit energate und verriet auch, für wen und wann Mieterstrom
besonders attraktiv sein kann und welche Stolperfallen es gibt.
energate: Herr Ehrler, ab welcher Größenordnung sind Mieterstromprojekte aus Ihrer Sicht wirtschaftlich?
Ehrler: Das ist höchst unterschiedlich. Es hängt von ganz vielen Faktoren ab, etwa wie groß die Heizung ist und welche Kosten sie hat. Auch, ob bereits eine Anlage vorhanden ist und jetzt nur der Strom ausgekoppelt wird oder extra eine Anlage zur Stromversorgung errichtet wird, hat einen Einfluss. Wir haben für uns eine Richtgröße von mindestens 100 belieferten Wohneinheiten festgelegt, ab denen es sich lohnen kann, unsere Abrechnungsdienstleistungen zu beauftragen.
energate: Kann man auch mehrere kleinere Mieterstromprojekte zu einem zusammenzufassen?
Ehrler: Das ist durchaus denkbar. Wichtig dabei ist, dass jede Wohneinheit von einer Produktionsanlage über das eigene Netz erreichbar ist. Denn nur so kann ich die Netznutzungskosten und die damit verbundenen Umlagen vermeiden. Erst dann wird es wirklich wirtschaftlich.
energate: Was ist wirtschaftlich attraktiver, Mieter mit einem eigenen BHKW oder mit einer Fotovoltaikanlage zu versorgen?
Ehrler: BHKW haben gegenüber Fotovoltaikanlagen einen unschlagbaren Vorteil: Sie können gesteuert gefahren werden und sich so der Nachfrage durch die Mieter anpassen. Zudem kann der Strom in BHKW deutlich günstiger produziert werden, da parallel Wärme erzeugt wird - und oft hat man hier bereits eine Anlage und
muss nur noch den Strom auskoppeln. Bei Fotovoltaikanlagen kann ich die Produktion nicht dem Bedarf anpassen und muss alle Kosten über den Stromerlös decken. Insbesondere für Mieter mit dem Wunsch, grünen Strom zu verbrauchen, hat das BHKW natürlich den Nachteil, keine erneuerbare Energie zu produzieren.
energate: Welche Pflichten kommen auf Anbieter von Mieterstrom zu?
Ehrler: Wenn ich Mieterstrom verkaufe, werde ich automatisch zum Energielieferanten, unabhängig von der Menge. Dadurch kommen zahlreiche Berichts- und Meldepflichten auf mich zu. So muss ich die Stromsteuer melden, die EEG-Umlage abführen und einen Monitoringbericht erstellen. Das ist umfangreich, lässt sich aber
automatisieren. Wir bieten dies auch als Dienstleistung an.
energate: Was ist bei der Abrechnung des Mieterstroms zu beachten?
Ehrler: Zum einen gelten hier die allgemeinen Informationspflichten für Stromrechnungen. Es muss beispielsweise angegeben werden, wer der Netzbetreiber ist und wie hoch der Verbrauch im Vergleich zum Durchschnitt ist. Die spezielle Schwierigkeit im Mieterstrombereich ist, dass ich immer noch Strom mit den entsprechenden Zulagen zukaufen muss. Diese Strommengen muss ich separat aufschlüsseln, da sie mit anderen Umlagen und Netzabgaben versehen sind. Zudem muss ich die selbst produzierten Strommengen auf die Mieter aufteilen. Denkbar ist, dass ich diese entweder anteilig auf die einzelnen Mieter umlege oder dass jeder die gleiche Menge erhält. Standard ist derzeit eine anteilige Aufteilung, das verhindert auch mathematische Überschussmengen. Häufig ergeben sich zudem bilanzielle Herausforderungen. Die Verbräuche werden in der Regel nach Standardlastprofil abgerechnet. Diese Standardlastprofile müssen aber nicht den Verbräuchen der Mieter entsprechen. Daraus kann sich etwa das Problem ergeben, dass die aufsummierten Standardlastprofile weniger groß sind als meine abgegebenen Energiemengen.
energate: Was verspricht hier Abhilfe?
Ehrler: Hilfreich ist es, wenn alle Mieter einmal jährlich gleichzeitig abzulesen, idealerweise direkt zum Jahreswechsel. Dann kann Aufteilung der produzierten und eingekauften Strommengen auf die einzelnen Mieter auf Basis von Messwerten erfolgen. Wenn dies nicht möglich ist, muss ich durch sinnvolle Algorithmen rechnerische
Zählerstände der einzelnen Mieter ermitteln, die deren üblichen Verbrauch berücksichtigen und sich an den eingekauften und produzierten Strommengen orientieren.
energate: Was ist Ihr Fazit: Welchen Unternehmen würden Sie Mieterstrom empfehlen und wem würden Sie abraten?
Ehrler: Kleine Privatvermieter sollten es sich dreimal überlegen.
Sie kommen in der Regel nicht auf die notwendigen Mengen und ihnen fehlt meist das notwendige Fachwissen. Sie sollten sich entsprechend
Partner suchen, wenn sie sich für solch ein Geschäftsmodell entscheiden. Für gewerbliche Vermieter ist es hingegen sicherlich interessant, insbesondere, wenn sie mehrere Objekte haben oder ohnehin eine neue Heizungsanlage benötigen.
energate: Herr Ehrler, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Stefanie Dierks, energate-Redaktion Essen. Das Interview ist erschienen in: ener | gate messenger plus | Nachrichten; www.energate-messenger.de